Von der Flucht zur Integration – Neuerscheinung „Geflüchtete in Deutschland“

Foto: www.v-r.de
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Eine Publikation der Diakonie RWL setzt sich kritisch mit dem aktuellen Trend zu Repression und Populismus auseinander – und zeigt, wie Integration gelingen kann. In dem Buch reflektiert der Duisburger Diakoniepfarrer Stephan Kiepe-Fahrenholz die kommunalen Herausforderungen durch den Zuzug der Geflüchteten.

„Wir müssen aufhören, in der Flüchtlingsfrage politische Symboldebatten zu führen“ – So lautet der Appell von Bischof Heinrich Bedford-Strohm im soeben erschienenen Buch „Geflüchtete in Deutschland. Ansichten – Allianzen – Anstöße“. Die Publikation, die die Diakonie RWL mit anderen Akteuren herausgibt, setzt sich kritisch mit dem aktuellen Trend zu Repression und Populismus auseinander – und zeigt, wie Integration gelingen kann.

Angela Merkels programmatische Ansage „Wir schaffen das“ ist zum Leitwort vieler Menschen geworden, die sich für Flüchtlinge engagieren. Der Optimismus der Willkommenskultur kam hier auf den Punkt. Der Zustrom von nahezu einer Million Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 war ähnlich unvorhersehbar wie die deutsche Wiedervereinigung.

Aus dem politischen und medialen Randthema Flucht wurde ein Megathema. Politik und Bürgergesellschaft hatten unvorbereitet eine Bewährungsprobe zu bestehen und bestanden sie. „“Deutschland zeigte sich von seiner besten Seite“, betont Hannelore Kraft in ihrem Geleitwort zu der Publikation „Geflüchtete in Deutschland“. Inzwischen ist der Diskurs gekippt. Angst macht sich breit. Alltag ist eingekehrt. Wichtigste Alltagsaufgabe ist die Integration der Zugewanderten.

In dieser Situation braucht es Rückbesinnung auf Grundlagen, Orientierung und Perspektive, Reflexion von Erfahrungen, Auswertung von guter Praxis, kritische Analyse und schließlich Befähigung und Ermutigung. All dies leistet die Publikation, die vom Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, der Konferenz der Ruhrgebietssuperintendenten und der Diakonie Deutschland herausgegeben wird.

Autorenschaft so bunt und vielfältig wie die Themen

Mehr als 50 Autorinnen und Autoren haben sich beteiligt und eine große Vielzahl von Aspekten zusammengetragen. Es schreiben evangelische Pfarrer und Führungskräfte der Deutschen Post, eine Polizeidirektorin und ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, Sozialwissenschaftler und Sozialarbeiterinnen, Fachhochschulprofessoren, Rechtsexperten und viele mehr. Das Themenspektrum ist so breit wie sonst wohl kaum in einer der vielen Publikationen zum Thema. Das „Recht auf Ankommen“ wird ebenso angesprochen wie die europäische Asylpolitik, die Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern wird untersucht wie auch die Netzwerkarbeit im Stadtteil, das Verhältnis von Migration und Seelsorge wird ebenso zur Sprache gebracht wie der Schutz von geflüchteten Frauen vor Gewalt.

Wenn kirchliche Autoren sich äußern und mit anderen austauschen, neigen sie dazu, unter ihresgleichen zu bleiben und die Parallelwelt Kirche für das Maß aller Dinge zu halten. Die durchaus kirchlich gebundenen Herausgeber Gerhard K. Schäfer, Barbara Montag, Joachim Deterding und Astrid Giebel (Diakonie Deutschland) sind nicht in diese Falle getappt und haben bewusst Beiträge auch aus dem nicht-kirchlichen Spektrum eingeworben.

Etwa den Beitrag von Heribert Prantl „Das neue Buch Exodus. Überlegungen zu einer verantwortlichen europäischen Flüchtlingspolitik“. Prantl allerdings legt Psalm 23 als Gebet eines Flüchtlings aus und lobt die Kirchenasylbewegung. Liest man in diesem Buch, kann man immer wieder Leseüberraschungen dieser Art erleben.

Kirche und Diakonie: Mahner und Praktiker der Integration

Natürlich spielen Diakonie und Kirchen als Mahner und als Praktiker der Integration eine Hauptrolle in dem umfangreichen Band. So schildert etwa Martin Hamburger, Vorstand der Diakonie Wuppertal, die Kultur des Zusammenwirkens im Quartier am Beispiel der Wuppertaler Oase. Der Duisburger Diakoniepfarrer Stephan Kiepe-Fahrenholz reflektiert die kommunalen Herausforderungen durch den Zuzug der Geflüchteten („Raus aus dem Krisenmodus“) und Michael Mertins und Ulf Schlüter aus dem Kirchenkreis Dortmund stellen dar, wie die Flüchtlingsarbeit in Dortmund Kirche und Diakonie geradezu aufmischt.

Flüchtlingsarbeit „vor Ort“ – das meint in diesem Buch vor allem das Engagement im Ruhrgebiet. Diese regionale Schwerpunktbildung entspricht ja auch durchaus der sozialen Geografie des größten deutschen Bundeslandes. Ergänzt werden die immer mit Reflexionen angereicherten Praxisbeispiele durch analytische Hintergrundbeiträge aus theologischer, philosophisch-ethischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Den Schluss des Bandes bilden ausgewählte aussagestarke Dokumente, etwa eine Erklärung der Regionalen und Kreiskirchlichen Diakonischen Werke in der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Ein vielfältiges Buch für eine Gesellschaft, die mit den Neuankömmlingen zusammen gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Vielfalt neu einüben muss. Es gehört auf den Gabentisch, denn bekanntlich ist die Weihnachtsgeschichte eine Migrationsgeschichte.

Text: http://www.diakonie-rwl.de; Reinhard van Spankeren

„Geflüchtete in Deutschland. Ansichten – Allianzen – Anstöße“ ist im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen. Es hat 414 Seiten und kostet 20 Euro.