„Es gibt auch so etwas wie ein falsches Zeugnis“
Reformationsjubiläum, Glaube und Ökumene, Weiterentwicklung der Kirche inklusive neuer Gemeindeformen, soziale Gerechtigkeit, Terroranschläge und auch Äußerungen der Alternative für Deutschland (AfD) gehören zu den Themen, die der Präses in seinem Präsesbericht ansprach.
Zu Beginn des Wahljahrs 2017 im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und im Bund hat Präses Manfred Rekowski die Kirchen aufgerufen, Fragen der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Ausgleichs auf die Agenda zu setzen. „Wir müssen als Kirche dazu beitragen, dass um Freiheit, um Gerechtigkeit und um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gerungen wird. Es kommt darauf an, sachgemäße und menschengerechte Lösungen zu finden“, sagte der leitende Geistliche der rheinischen Kirche in seinem „Bericht über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse“ vor der Landessynode 2017.
Mit Besorgnis nimmt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland auch manche Äußerungen politischer Parteien wahr. „Hier werden auch Positionen vertreten, die deutlich der christlichen Botschaft widersprechen, obwohl das Etikett ,christlich‘ benutzt wird“, sagte Rekowski mit Blick auf Äußerungen der Alternative für Deutschland (AfD). „Es gibt auch so etwas wie ein falsches Zeugnis“, so der Präses weiter.
Wer etwa seine Politik mit einer diffusen, wie das Grundsatzprogramm der AfD es formuliere, „religiösen Überlieferung des Christentums“ begründe, „den werden wir zum Fundament seines Glaubens befragen“. Wer sowohl dem Judentum als auch dem Islam keinen Platz in der deutschen Gesellschaft lasse, fordere den massiven Widerstand der evangelischen Kirche heraus. „Der Glaube an Gott, der die Welt und die Menschen liebt, hat nichts gemein mit Hass gegen einzelne Menschen oder Menschengruppen. Das ist keine Alternative für Christen, sondern eine Pervertierung des Glaubens“, so der Präses weiter.
Von der Nächstenliebe gibt es keinen Dispens
Zugleich forderte Präses Rekowski seine Kirche auf, sich verstärkt damit auseinanderzusetzen, dass ein großer Teil der Bevölkerung offenkundig Vorbehalte gegenüber Muslimen habe. „Was bedeutet es für unsere Gesellschaft, wenn 57 Prozent im Osten und 49 Prozent im Westen Deutschlands den Islam als bedrohlich bewerten?“, fragte er vor der Landessynode.
Angesichts islamistischer Anschläge mache sich beispielsweise eine kurzschlüssige Verbindung zwischen Islam und Terrorismus breit. Doch damit folge man genau der Fährte, die diese Terroristen legten. „Es ist gerade eine vornehme Aufgabe der Kirchen in unserer Gesellschaft, immer wieder zu betonen: Das menschenverachtende Handeln einiger weniger Verbrecher beruft sich zu Unrecht auf die Religion des Islam, der mehr als eine Milliarde Menschen angehört, die in Frieden leben wollen.“ Zugleich forderte der Präses Moscheegemeinden zu deutlichen und klaren Abgrenzungen auf. Eine deutliche Positionierung trage auch zum sozialen Frieden bei.
Präses Rekowski legte der Landessynode im Gedenkjahr 500 Jahre Reformation unter dem rheinischen Motto „Ich bin vergnügt, erlöst, befreit“ eine evangelische Zeitansage vor. Christinnen und Christen seien in der Gottesbeziehung befreit und in die Pflicht gegenüber dem Nächsten genommen. „Wer sich hier entpflichten will, also die Pflicht gegenüber dem Nächsten aufkündigt, der tritt faktisch aus der Gemeinschaft der Glaubenden heraus, auch wenn er Kirchenmitglied bliebe. Hier gibt es keinen Dispens“, sagte Rekowski.
„Vielfalt ist kein Manko, sondern eine Chance“
In seinem Bericht bezog der Präses auch Position in ökumenischen Belangen. So warb der Präses für eine „Ökumene unter einem Dach“. Solche „Wohngemeinschaften“ seien nicht auf den Konsens in allen Lehrfragen angewiesen, sondern suchten nach gemeinsamen konfessionsübergreifenden Lösungen sozialer und gemeindlicher Fragen.
Außerdem gelte es, den Reichtum der Konfessionen zu entdecken. „Vielfalt ist kein Manko, sondern eine Chance, zumal dann, wenn reformatorisch Kirche zu sein zugleich auch ökumenisch Kirche zu sein heißt“, sagte Rekowski. Für Kirchengemeinden wie für ganze Kirchen gelte: Eine profilierte Arbeit strahlt mehr aus und bietet eine deutlich höhere Bindungskraft.
Konfessionsübergreifend gelte: „Christus allein ist prägend und bestimmend für unseren Glauben und für unser Leben und Arbeiten in den Kirchen.“ Diese Botschaft, dass Gott sich als Mensch schutzlos anderen Menschen ausgeliefert hat, zeige: „Nicht Gewalt und Macht werden sich durchsetzen, sondern Gewaltlosigkeit. Geboren in einem Stall. In prekären Verhältnissen wird er einer von uns – doch nicht angepasst. Er sagt die Veränderung der menschlichen Verhältnisse an. Das ist seine Alternative für unsere geschundene und nach Erlösung schreiende Welt. Und das ist die Mission unserer Kirche.“
In der anschließenden Aussprache ging es u. a. mehrfach um die AfD. „Man muss den Populisten die Masken abreißen“, meinte ein Synodaler, ein anderer: „Danke für die Entschiedenheit der Äußerung.“ Ein weiteres Synodenmitglied plädierte dafür, seitens der Kirche den Bekenntnisfall („Status Confessionis“) festzustellen, also AfD-Positionen als unvereinbar mit dem christlichen Glauben zu erklären.
Präses Rekowski betonte dagegen: „Ich setze auf die inhaltliche Auseinandersetzung.“ Vizepräsident Dr. Johann Weusmann, leitender Jurist der rheinischen Kirche, erläuterte, dass es beispielsweise bei der Eignung für das Presbyteramt darauf ankommt, ob Äußerungen gegen das christliche Menschenbild verstoßen.
Vizepräses Christoph Pistorius, Leiter der Personalabteilung im Landeskirchenamt, erklärte, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen – dazu gehören auch Pfarrerinnen und Pfarrer -, Kandidaturen anzeigen müssen. Sie würden dann standardmäßig zum Gespräch eingeladen werden, „auch aus Fürsorgegründen“. Dabei werde besprochen, dass Positionen, die zum Beispiel dem Bekenntnis widersprechen, mit dem Dienst unvereinbar sind.
Quelle: http://www.ekir.de/www/service/praesesbericht27516.php