Virtuelle Ausstellung – Zwischen Anpassung und Verweigerung: Widerstand in der NS-Zeit

Das Beispiel des Wilhelm Busch aus Essen ist im rheinischen Teil der Online-Ausstellung "Evangelischer Widerstand" nachzulesen. Foto: www.ekir.de
Das Beispiel des Wilhelm Busch aus Essen ist im rheinischen Teil der Online-Ausstellung „Evangelischer Widerstand“ nachzulesen. Foto: www.ekir.de
Wie haben sich Christinnen und Christen im Dritten Reich verhalten? Und wie hat sich die Kirche in dieser Zeit positioniert? Die virtuelle Ausstellung „Widerstand!? Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus“ hat jetzt auch einen rheinischen Teil.

Die Ausstellung bietet mehr als nur einen Überblick über das Geschehen zwischen 1933 und 1945 in Deutschland und der religiösen Landschaft. Zahlreiche Dokumente wie Briefe, Abschriften und Fotos bereiten das Themenfeld im Internet auf. Präses Manfred Rekowski eröffnete jetzt in einer Feierstunde im Düsseldorfer Theodor-Fliedner-Gymnasium (TFG) das rheinische Regionalfenster der Online-Ausstellung auf www.evangelischer-widerstand.de.

„Der Widerstand ist ein zentraler Gegenstand der deutschen Geschichte“, sagte Prof. Dr. Claudia Lepp von der Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte, die zur Eröffnung des rheinischen Regionalfensters per Videoanruf aus München zugeschaltet war. „Die Ausstellung stellt das ganze Spektrum des Widerstandes dar“, sagte Lepp.

Differenzierter Umgang mit dem Thema Widerstand

Weiter erläuterte sie: „Die Rahmenbedingungen verändern sich. Die Zeitzeugen sterben aus und die Forschung hat eine historische Perspektive auf das Thema entwickelt.“ Bereits 2007 habe die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte daher die Idee zur Online-Ausstellung entwickelt. Bisher schon gab es die Regionalteile „Bayern“, „Württemberg“ und „Mitteldeutschland“. Jetzt ist in der Ausstellung auch das Geschehen in der rheinischen Landeskirche aus dieser Zeit nachvollziehbar.

Die Ausstellung besteht aus drei Hauptbereichen: Zeiten, Menschen und Grundfragen. Das Angebot bietet einen differenzierten Umgang mit dem Thema Widerstand und ist so aufgebaut, dass alle Altersgruppen auf verschiedenen Ebenen Zugang finden. Der Regionalteil Rheinland beschreibt, wie Christinnen und Christen sowie Kirchenvertreter sich während der NS-Zeit gegen das Regime aufgelehnt haben.

Warnung vor dem Rassenwahn

Dazu gehören beispielsweise Menschen wie die frühe Mahnerin Ina Gschlössl, eine Kölner Vikarin, die 1932 angesichts des Rassenwahns warnte: „Wer heute hetzt, mit Gewalttat droht, der hat sich morgen mit der Schuld für Totschlag und alle Rohheit belastet.“

Oder der Wuppertaler Paul Humburg, Mitglied der Bekennenden Kirche, der 1933 noch ein Loblied auf Adolf Hitler dichtete und drei Jahre später eine Predigt gegen die Nazipropaganda hielt. Dokumentiert sind Konflikte und Widersprüchlichkeiten, Anpassung und Verweigerung.

Zeitlich sind die einzelnen Bereiche in sechs Abschnitte getrennt – von vor 1933 bis nach 1945. Von der „Düsseldorfer Erklärung“, die aus 14 Thesen zur Gestaltung der Kirche bestand, über die Predigt gegen das Novemberpogrom von Pfarrer Friedrich Winter bis zur Zwangsarbeit in kirchlichen Einrichtungen.

Präses: keine Heldengeschichten

Die NS-Zeit wird von allen Seiten dokumentiert – vom Widerstand Einzelner bis zu Führer-Treueschwüren von Kirchenvertretern. „Es sind keine Heldengeschichten, die in der Ausstellung dokumentiert sind“, sagte Präses Rekowski. „Ich selbst fühle mich bei dem virtuellen Rundgang ein wenig an die eigene Schulzeit erinnert. Mein erstes Referat hatte den Widerstand im Dritten Reich zum Thema“, erzählte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland vor rund zweihundert Schülerinnen und Schülern in der Aula des Fliedner-Gymnasiums. „Der Widerstand ist ein Prozess, der nicht vom Himmel fällt“, sagte Schulleiter Michael Jacobs.

„Widerstand!? Evangelische Christinnen und Christen im Nationalsozialismus“ bietet nicht nur einen Überblick über „den Protestantismus in seiner gesamten Breite während der NS-Zeit“, wie Prof. Dr. Thomas Martin Schneider (Koblenz) sagte, Vorsitzender des Ausschusses für rheinische Kirchengeschichte und kirchliche Zeitgeschichte der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Schülerin: Bezug zur Region ist wichtig

Für Schülerinnen und Schüler funktioniert die optisch übersichtlich aufbereitete Ausstellung als reichhaltiges Archiv zu einem zentralen Thema des Unterrichts sowie dem Zentralabitur. „Gerade in der aktuellen Situation in unserem Land ist es wichtig, sich immer wieder mit diesem Stück Geschichte zu befassen“, sagte Schülerin Louise Westermann, die bei der Eröffnung des Regionalteils Rheinland gemeinsam mit Melina von der Linden erklärte, wie sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. „Den Bezug zur Region zu haben, in der wir leben, finde ich besonders wichtig.“

Dr. Simone Rauthe, Lehrerin am TFG und an der inhaltlichen Gestaltung des Regionalteils beteiligt, ergänzte: „Die NS-Zeit ist ein zentraler Aspekt, um uns heute zu verstehen. Der Widerstand war und ist der Kern.“Musikalisch untermalt wurde die Eröffnung des Regionalteils Rheinland von Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums: Das Vokalensemble sang „Hevenu Schalom Alechem“, außerdem erklang u.a. Musik aus dem Film „Schindlers Liste“.

Bild und Text: www.ekir.de