Dies ist der Wochenspruch, also das biblische Wort für die Woche, die heute mit dem Sonntag „Invokavit“, dem ersten Sonntag in der Fastenzeit, beginnt:
„Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“ 1. Johannesbrief 3, 8b
Eine dramatische Geschichte fasst dieser Wochenspruch in einem Satz zusammen. Zunächst der Anfang der Geschichte: Hier der Auftritt des Sohnes Gottes – dort der Teufel und seine Werken. Hier der Wille Gottes in Person, dort der Inbegriff von allem, was Gott nicht will. Dann der dramatische Höhepunkt: die Konfrontation zwischen beiden. Schließlich Ende und Ziel des Ganzen: Des Teufels Werke werden zerstört. Gott siegt und der Teufel unterliegt.
Dass mit dem Sohn Gottes niemand anderes als Jesus gemeint ist, dürfte klar sein. Aber wer ist der Teufel? Und was sind seine Werke? Das wird schon in der ersten Begegnung Jesu mit dem Teufel deutlich. Der Evangelist Matthäus erzählt davon im dritten Kapitel seines Evangeliums.
Jesus wird durch den Geist Gottes in die Wüste geleitet. Dort fastet er, was gut zur jetzigen Passionszeit passt. Allerdings stehen dabei zunächst nicht sieben Wochen ohne Blockaden im Vordergrund, wie das Motto der diesjährigen „Sieben-Wochen-ohne“-Aktion lautet. Jesus verzichtet schlicht auf Nahrung. Dies hat zur Folge, dass er nach vierzig Tagen und Nächten Hunger bekommt, was durchaus menschlich ist.
Der Versucher macht Druck
Jetzt hat der Teufel seinen Auftritt in seiner Glanzrolle als Versucher. Versuchung bedeutet genau besehen eine Prüfung. Nur meint es dieser Prüfer mit dem Menschen nicht gut. Dieser Meister der Verführungskünste wendet alle Tricks und Kniffs an, damit der Prüfling durchfällt. In diesem Fall tritt er zum hungrigen Jesus und flüstert ihm ein: „Wenn du Gottes Sohn bist, so sprich zu diesen Steinen, dass sie zu Brot werden.“ Aus Steinen Brot zu machen, ist anscheinend die Prüfungsaufgabe. Kann Jesus dies, dann hat er bewiesen, dass er der Sohn Gottes ist. Doch der Teufel wäre nicht der Teufel, wenn seine Prüfung keinen Pferdefuß hätte.
Gottes Sohn und wahrer Mensch
Jesus lässt sich erst gar nicht auf die Aufgabenstellung ein, sondern entgegnet mit einem Zitat aus der Thora: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“ Wo der Teufel vom Sohn Gottes und seinen Möglichkeiten spricht, da redet Jesus vom Menschen und seinen Bedürfnissen. Wo der Teufel Jesus dazu bringen will, sich als Sohn Gottes zu beweisen, da erweist sich dieser als Mensch. Kurzum, wo der Teufel Jesus als Sohn Gottes nach seinem Bilde springen lassen will, da bleibt Jesus seiner Sendung treu, als Gottes Sohn auch wahrer Mensch zu sein. Sein Menschsein ist keine Verkleidung, die er nach Belieben ablegt. Es ist sein Weg, sich konsequent an die Seite aller anderen Menschen zu stellen. Eben darin ist er der Sohn Gottes.
Der Zwang, sich beweisen zu müssen
Was sind die Werke des Teufels? Es ist ein bestimmter Prüfungsdruck, unter dem wir zu stehen meinen. Es sind Aufgaben, die auf die eine Forderung hinauslaufen: Du musst dich beweisen! Das Werk des Teufels ist der Zwang, sich beweisen zu müssen. Sich beweisen zu müssen vor sich selbst, vor anderen und dann auch vor Gott. Sich selbst unter diesen Druck zu setzen oder sich diesen Druck machen zu lassen. Indem wir uns einbilden oder uns suggerieren lassen, wir müssten uns beweisen, verraten wir uns Menschsein. Wir setzen es aufs Spiel. Oder mit der diesjährigen Fastenaktion gesagt: Der Druck, sich beweisen zu müssen, blockiert uns.
Was uns demnach blockiert, sind alle Träume und Versprechen, mehr sein zu wollen und mehr sein zu müssen. Statt ein auf Gott völlig angewiesener Mensch zu sein, ganz aus sich selbst leben zu wollen. Statt auf Gottes schöpferische Kraft zu vertrauen, auf die eigenen Möglichkeiten zu bauen. Statt die eigenen Grenzen anzunehmen, immer über sich selbst hinausgehen zu müssen. Der Druck, sich beweisen zu müssen, ist die heillose Blockade, die unentwegte Versuchung, die teuflische Falle, in die wir immer wieder tappen.
Die Freiheit zum Menschsein
Genau hier tritt Jesus für uns ein. Er räumt beiseite, was uns blockiert. Er befreit uns von dem Zwang, uns beweisen zu müssen. Er macht uns von dem Druck frei, uns hervortun zu müssen. Wir müssen unser Menschsein nicht beweisen. Nicht vor uns, nicht vor anderen und auch nicht vor Gott! Es genügt aus dem Wort Gottes zu leben, aus seinem Zuspruch und seiner Verheißung, aus seinem Freispruch und seiner Gnadenzusage. Da braucht es keine übermenschlichen Kräfte und keine Gottgleichheit. Da müssen wir nicht sein wie Gott oder wie Engel. Da können wir alle unsere Idealvorstellungen hinter uns lassen. Da ist es völlig ausreichend, dass dieser eine Mensch für uns andere eintritt und vor Gott an unsere Seite tritt. Denn durch ihn wird offenbar, was wir sind: Gottes geliebte Schöpfung. Amen
Pfarrer Hans-Peter Lauer