Sommerkirche am 15.08.2021

„Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn…“

Foto: Birgit Brügge

„Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann“ – so heißt es in der ersten Strophe des bekannten Liedes von Paul Gerhardt: „Befiehl du deine Wege“.
Wolken, Luft und Wind helfen uns dabei zu spüren: Es tut gut, Gott zu vertrauen. Es tut gut, Gedanken, Sorgen und den Alltag loszulassen. Es tut gut, wenn ich weiß: Gott kennt auch Wege für mein Leben, wenn ich keine sehe.

Befiehl du deine Wege (EG 361,1)
Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Gedanken zum Lied von Paul Gerhardt
„Befiehl du deine Wege…“ – ein altes Wort, ein alter Zuspruch aus den Psalmen. Und klar, dass „befehlen“ hier nicht „gebieten“ oder „anordnen“ meint, sondern „anbefehlen“, also meine Wege Gott anzuvertrauen, ihm in die Hände zu geben, ohne aber zu vergessen, sie mit eigenen Füßen zu gehen.

Paul Gerhardt, der dieses Lied dichtete, hat es in schwerer Zeit geschrieben. Es war Krieg, der dreißigjährige Krieg, der ganz Deutschland zerstörte und unvorstellbares Leid und Elend über die Menschen brachte. Schon damals gab es die Politik oder besser: Kriegspolitik der „verbrannten Erde“. Abgebrannte Felder ließen die Soldatenheere zurück. Und die getöteten Soldaten hinterließen Frauen und Kinder, die vor Hunger auf den Straßen starben.

Paul Gerhardt selbst war schon in frühen Jahren zum Waisen geworden und auch der Tod seines Bruders wie die spätere schwere Krankheit seiner Frau hinterließen Spuren in seinem Leben. Das Lied klingt da wie eine Selbstaufforderung: Vertrau deine Wege Gott an, dem, der den Himmel lenkt, der lässt dir die allertreuste Pflege zukommen!

Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, findet einen Weg für dich. Wie sollte der, der Wolken, Luft und Winden Wege, Lauf und Bahn gibt, nicht auch einen Weg für dich kleinen Menschen wissen? Er, der die Naturgewalten in seiner Hand hält, hält auch dich in seinen Händen.

Bei den vielen Naturkatastrophen, die wir miterleben, die uns immer näher rücken, hören wir heute sicher manches mit anderen Ohren. Wolken, die Starkregen abregnen; Winde, die Feuer immer wieder neu entfachen; Giftwolken, die unsere Luft verpesten – das alles kann man nicht einfach ausblenden, wenn man heute Paul Gerhardts Worte aus dem fernen 17. Jahrhundert hört.

Nun aber zu schließen, dass Gott es ist, der diese Wolken, diesen Wind, diese Luft womöglich als Strafe schickt, wäre fatal. Und dazu noch unbiblisch.

Gott ist kein „Theater-Gott“, der Naturkatastrophen inszeniert, um hier und dort mal richtig reinzuschlagen und uns unser ganzes Versagen und all unsere Übeltaten vor Augen zu halten.

Am Ende der Sintflut, die man noch ansatzweise als Strafe Gottes für die Bosheit der Menschen deuten könnte, heißt es doch ausdrücklich: Solange die Erde steht, soll das Leben auf ihr weitergehen. Als Zeichen des Bundes, den Gott aufs Neue mit den Menschen schließt, erscheint am Himmel der Regenbogen.

Nein. Der strafende Gott, das ist schon gar nicht das Gottesbild des Evangeliums. Gott „lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ (Matthäus 5,45)

Wir glauben daran, dass Gott all seine Geschöpfe liebt. Wenn sie leiden, leidet Gott mit ihnen. Im Leid sind wir nicht von Gott verlassen, auch wenn es sich manchmal so anfühlen mag. Gott ist dabei, auch und gerade wenn es uns schlecht geht. Er geht mit uns durch die Krise.

Deshalb ist das Zeichen für die Liebe Gottes das Kreuz. Gott bewahrt nicht vor allem Leiden, aber er ist dabei, mittendrin.

Die alten Texte des Glaubens wie das Lied von Paul Gerhardt können eine Hilfe sein, den Chaosmächten und dem Leiden nicht das letzte Wort zu lassen.

Das heißt nicht, im Leiden einen Sinn zu suchen, den es niemals hat, sondern im Leiden darauf zu hoffen, dass der mitleidende Gott an unserer Seite ist und uns einen Weg zeigen wird durch das Leid hindurch zu neuer Hoffnung und zu neuem Leben.

„Hoff, o du arme Seele, hoff und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt,
mit großen Gnaden rücken; erwarte nur die Zeit,
so wirst du schon erblicken die Sonn der schönsten Freud.“ (EG 361,6)

Amen.

Gebet
Gott, der du uns liebst wie Vater und Mutter,
wir danken dir, dass du uns nicht allein lässt auf unserem Lebensweg.

Wir bitten dich für uns und alle Menschen:
Lass uns dir vertrauen können, auch wenn schwere Stunden kommen.
Schenke uns Gelassenheit und gute Gedanken,
wenn wir vor wichtigen Entscheidungen stehen.

Wir bitten dich für alle, die heute auf dem Weg sind
ans Urlaubsziel oder nach Hause,
auf Ausflug oder beruflicher Fahrt:
Behüte sie und lass sie wohlbehalten ankommen.

Wir bitten dich für alle, denen ihr Weg schwer wird,
die Sorgen mit sich herumschleppen und Probleme wälzen:
Hilf ihnen, solche Zeiten durchzustehen
und stelle ihnen Menschen an die Seite, die die Last mit ihnen tragen.

Wir bitten dich für alle, die keinen Weg für sich sehen,
denen alles genommen wurde, was sie zum Leben brauchen,
und die ihr Vertrauen in das Leben verloren haben:
schenke ihnen neue Hoffnung und eröffne ihnen einen neuen Weg.

Guter Gott, wir danken dir,
dass du Wege für uns siehst, auch wo wir keine sehen,
dass du bei uns bist auf unserem Lebensweg.
Amen.

Wolkengedicht von Christian Morgenstern

Und immer wieder,
wenn ich mich müde gesehn
an der Menschen Gesichtern,
so vielen Spiegeln
unsäglicher Torheit,
hob ich das Aug
über die Häuser und Bäume
empor zu euch,
ihr ewigen Gedanken des Himmels.
Und eure Größe und Freiheit
erlöste mich immer wieder,
und ich dachte mit euch
über Länder und Meere hinweg
und hing mit euch
überm Abgrund Unendlichkeit
und zerging zuletzt
wie Dunst,
wenn ich ohn‘ Maßen
den Samen der Sterne
fliegen sah
über die Äcker
der unergründlichen Tiefen.

Birgit Brügge