Als Industriepfarrer und Seelsorger hat Hans-Peter Lauer in seinem Arbeitsleben über die Jahre hinweg den Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft im Ruhrgebiet, aber auch den bei seiner Kirche erlebt und gerne immer kritisch begleitet. Jetzt naht der Ruhestand, der mit dem Abschiedsgottesdienst am 26. März 2023 um 15 Uhr in „seiner“ Marxloher Kreuzeskirche eingeläutet wird, zu dem die Evangelischen Bonhoeffer Gemeinde Marxloh Obermarxloh herzlich einlädt. Mit ihm geht auch das Politische Nachtgebet. Der Trägerkreis ist zusammengeschrumpft, nach Corona war der Neuanfang schwierig, das nächste politische Nachtgebet Anfang April wird das letzte sein. Sabine Merkelt-Rahm hat vor seinem Abschied mit ihm gesprochen und mit ihm Rückschau gehalten:
„Permanente Strukturveränderungen“ kennzeichnete die langen Jahre, die Hans-Peter Lauer im Pfarramt verbrachte. 1987 führte den gebürtigen Huckinger seine auf fünf Jahre ausgeschriebene Sonderdienststelle für Industrie und Sozialarbeit in den Norden von Duisburg. „Ich stamme aus einer Pfarrergeneration, für die das Wort Veränderung erst mal einen positiven Klang hat“, sagt er. Und erinnert sich an die Zeiten der vollen Kassen, als Sonderpfarrstellen geschaffen und neue Arbeitsfelder erschlossen werden konnten. 1992 wurde der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt mit zwei Sonderpfarrstellen gegründet. Hier haben Lauer und sein Kollege Pfarrer Jürgen Widera ihre längste Arbeitsphase verbracht. Sie hatten den Beginn des Arbeitskampfes um das Stahlwerk in Rheinhausen im Herbst 1987 erlebt und als Einschnitt empfunden. Nun waren sie von Anfang an beteiligt am Aufbau von Strukturen zwischen der evangelischen Kirche und der Arbeitswelt. Sie gingen in die Betriebe, knüpften Kontakt mit den Gewerkschaften, feierten Solidaritätsgottesdienste mit Streikenden und organisierten politische Diskussions- und Bildungsveranstaltungen. „Wir hatten gute Bedingungen und konnten unsere Arbeitsfelder selber ausgestalten“, sagt Lauer. Ende der neunziger Jahre kämpften die Duisburger Callcenter-Mitarbeiter der Citibank gegen Entlassung und um Tarifverträge. Lauer wurde zum Sprecher ihrer Initiative „Citikritik“ gewählt. Es folgte ein spektakulärer Gerichtsprozess gegen die Großbank, die diese Kritik nicht dulden wollte. Nach drei Jahren verlor die Bank den öffentlichkeitswirksamen Prozess vor dem Düsseldorfer Landgericht.
1996 startete das Politische Nachtgebet mit monatlichen Diskussionen um Themen aus der Arbeitswelt, dass der KDA gemeinsam mit anderen kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppen zunächst in der Markuskirche im Ostacker veranstaltete. In den folgenden Jahren ließen die Gemeindegliederzahlen und damit die kirchlichen Finanzmittel immer stärker nach, es kam „der schleichende Abbau von Arbeitsfeldern“. Lauer hatte das Glück, in Marxloh, wo er wohnte, eine 75 Prozent Pfarrstelle bekommen zu können, deren Ausrichtung ihm entgegen kam. Fortan war er in der Bonhoeffergemeinde Marxloh- Obermarxloh an der Kreuzeskirche zuständig für politische Arbeit, Erwachsenenbildung und Kirche im öffentlichen Raum. Mit 25 Prozent seiner Arbeit blieb er beim KDA.
„Das reale Zusammenleben so vieler Kulturen in Marxloh lässt wenig Raum für sozialromantische Vorstellungen“, stellt der Pfarrer klar, „sicher ist es bunt, aber es ist auch anstrengend und geht nicht ohne Konflikte ab.“ Er organisierte Diskussionsabende über das Zusammenleben in der Nachbarschaft der Kreuzeskirche, initiierte eine Geschichtswerkstatt und stellte historische Ausstellungen zu lokalen Geschichtsthemen zusammen. Inzwischen ist die Kreuzeskirche Teil der Route der Industriekultur.
Der Wandel blieb Lauers Begleiter. „Auch die Gemeinde verändert sich ständig, man stellt Konzepte auf, von denen man denkt, dass sie weit in die Zukunft reichen und fünf Jahre später sind die Bedingungen schon wieder ganz andere“, sagt der Pfarrer nachdenklich. „Und jetzt gehe ich raus, wo sich die Situation gerade wieder so verändert.“ Mit ihm geht auch das Politische Nachtgebet. Der Trägerkreis ist zusammengeschrumpft, nach Corona war der Neuanfang schwierig, das nächste politische Nachtgebet Anfang April wird das letzte sein.
„Mit dem Abbau der Strukturen geht einher, dass Kirche für meinen Geschmack in den letzten Jahren zu stark mit sich selber beschäftigt ist und zu wenig nach außen wirkt“, sagt Hans-Peter Lauer kritisch. Sein Dienst endet offiziell am erstem Mai. Er wird Marxloh verlassen und nach Huckingen ziehen, wo er aufgewachsen ist. „Marxloh gibt einem einen Realitätsbezug, den ich sicher nicht erlebt hätte, wenn ich mein Leben lang im dörflichen Huckingen geblieben wäre“, sagt er.
Text: Evangelischer Kirchenkreis Duisburg
Foto: Sabine Merkelt-Rahm
Das Bild zeigt Pfarrer Lauer vor „seiner“ Kreuzeskirche,