Andacht zum Sonntag Lätare (14.03.2021): Johannes 12, 24

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein;

wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)

Allein sein. Viele erleben es in diesen Tagen. Und es ist gar nicht gut, dass der Mensch allein ist. So nämlich heißt es schon im Schöpfungsbericht auf den ersten Seiten der Bibel: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Da sitzt der Mensch mitten im Paradies, umgeben von Blumen und Bäumen und Tieren aller Arten. Und ist dennoch allein.

Da sitzt der Mensch in seiner Wohnung, in seinem Haus, umgeben von der erwachenden Natur, Vögel zwitschern, die Sonne scheint. Und ist dennoch allein.

Allein sein und allein bleiben – das ist das Gebot der Stunde. Höchstens fünf Personen aus zwei Haushalten dürfen sich treffen. In Regionen mit einer 7-Tages-Inzidenz von unter 35 Neuinfektionen pro Woche dürfen sich drei Haushalte mit maximal 10 Personen treffen. Das werden wir in Duisburg nie erreichen. Erst recht nicht im Duisburger Norden. Steigt die Inzidenz wieder auf über 100, greift die „Notbremse“, und es darf sich wieder nur ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. So kompliziert ist das Leben geworden.

Und eigentlich ist allen klar:  Allein sein und allein bleiben – das ist das Gebot der Stunde. Das schützt Leben. Meins und das der anderen.

Wie geht es den Menschen, die allein sind? Vor allem viele ältere Bewohnerinnen und Bewohner unserer Stadt sind allein. Aber auch jüngere Singles sind allein. Ja, selbst Paare und Familien fühlen sich von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschnitten.

Viele Menschen können nicht gut mit sich allein sein. Sie spüren die Einsamkeit beinahe körperlich, fühlen sich eingesperrt; düstere Gedanken machen sich breit. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Und dabei ist es ganz egal, ob draußen noch Winter ist oder schon Frühling. Gewiss, die Tage werden länger, heller, freundlicher. Es drängt uns Menschen nach draußen. Aber draußen, da lauert die Gefahr.

Es ist gerade eine schwere Zeit. Schon seit einem Jahr hat uns die Pandemie fest im Griff. Fröhliche und ungezwungene Begegnungen wird es vorerst nicht geben. Und dabei ist es gar nicht gut, dass der Mensch allein ist.

Aber es wird nicht immer so bleiben. Es ist nicht das Ende. Eines Tages, da wird es wieder anders sein.

Jesus steht in den belebten Straßen von Jerusalem. Es herrscht Feststimmung. Mitten in diese fröhliche und erwartungsvolle Stimmung hinein sagt Jesus:

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.“

Plötzlich ist vom Leiden und Sterben die Rede. Und von der Einsamkeit. Am Ende werden alle Jesus verlassen. Ganz allein wird er am Kreuz sterben.

Jesus teilt die Einsamkeit aller. Aber gerade aus ihr heraus wird Neues erwachsen.

Er ist das Weizenkorn, das stirbt. Aber in ihm und aus ihm heraus wachsen viele Früchte. Früchte der Hoffnung. Früchte des neuen Lebens. Für uns alle.

Mit einem anschaulichen Beispiel aus der Landwirtschaft deutet Jesus seinen bevorstehenden Tod und seine Auferstehung. Das Weizenkorn muss sterben, damit es neue Frucht bringt. Aus dem Korn, das völlig vergeht und sich ganz und gar hingibt, wird neues Leben. Im Gegensatz zu unserer naturwissenschaftlichen Sichtweise war die antike Auffassung davon geprägt, dass das Korn seinem Wesen nach zugrunde geht, nicht mehr vorhanden ist. Es schafft Leben, indem es stirbt.

Etwas muss sterben, damit es Frucht bringt. Verbirgt sich darin nicht auch eine Lebenserfahrung? Manchmal muss etwas in uns sterben. Illusionen, Hoffnungen, feste Ansichten und Einstellungen müssen begraben werden, damit Neues entstehen kann, damit unser Leben sich verändern kann und wir wachsen und reifen. Angst und Schmerz gehören zu einem solchen Prozess dazu. Denn im Voraus wissen wir nicht, ob und was Neues entsteht.

Der heutige Sonntag trägt den Namen „Lätare“ (lateinisch, deutsch: „freue dich“) – mitten in der Passionszeit ein Freudensonntag!

Die Mitte der Passionszeit ist mit diesem Sonntag überschritten und das Osterfest rückt näher. So hat dieser Tag einen fröhlichen, tröstlichen Charakter. Wo eigentlich von Leiden und Tod die Rede ist, können wir schon vom Leben reden. Wo eigentlich von Einsamkeit und Verzweiflung die Rede ist, scheint das neue Leben schon auf.

Noch sind wir allein. Das ist nicht gut. Aber es wird nicht immer so bleiben. Es ist nicht das Ende. Eines Tages, da wird es wieder anders sein.

GEBET

Das Bild vom Weizenkorn zeigt uns,

dass durch den Tod hindurch

neues Leben wachsen kann.

Inmitten der Passionszeit

kommen wir zu dir, Gott,

und bitten um deine Gegenwart.

Oft ist es dunkel in uns und um uns herum.

Mutlos sind wir und voller Angst,

sehen keinen Ausweg, wissen nicht,

an wen wir uns wenden können.

Lass uns dein Licht leuchten,

damit die Finsternis uns nicht erschrickt.

Vertreibe die Schatten unserer Angst

und lass neue Hoffnung in uns wachsen.

Lass uns durch den Tod hindurch

neues Leben finden. Amen.

Am Eingang unseres Familienzentrums an der Wittenberger Straße finden Sie Blüten und Schmetterlinge zum Mitnehmen: die Blüte als Zeichen, dass Gott die Freude an seiner Erde noch nicht verloren hat; der Schmetterling als Symbol der Verwandlung, der Auferstehung zu neuem Leben.

Pfarrerin Birgit Brügge

Andacht zum Sonntag Lätare14.03.2021