
Vor den Diskussionen, Beratungen, Beschlüssen und der Verabschiedung einer Stellungnahme zum Verhältnis zu den Muslimen in Duisburg ging es auf der letzten Tagung der Synode des Evangelischen Kirchenkreises Duisburg zunächst um protestantische Selbstvergewisserung.
Anlass für diese Standortbestimmung ist das 500jährige Reformationsjubiläum, das zuerst Pfarrer Hans-Peter Lauer in der Predigt des Gottesdienstes zur Eröffnung der Tagung am Freitag, 9. Juni 2017 aufnahm. Anschließend sprach Dr. Okko Herlyn, emeritierter Professor der Theologie und Kabarettist, über „Evangelisch sein – Reformatorisches Erbe in einer veränderten Welt“. Predigt und Vortrag können im Internet unter www.kirche-duisburg.de nachgelesen werden.
Das Reformationsjubiläum rückte auch mit einer besonderen Andacht am Samstagmorgen in der Mittelpunkt der Tagung: Synodale und Gäste, ausgerüstet mit Stift und Papier, schrieben 20 Minuten Bibelstellen ab und unterstützten auf diese Weise das Bibelprojekt von Barbara Melnik, Pfarrerin des evangelischen Schulreferates. Sie hat in Schulen und Gemeinden viele fleißige Helfer gefunden, die die notwendigen Seiten für die „Handgeschriebene Bibel“ beisteuern. Auf der Synodentagung kamen über 200 weitere Seiten zusammen. Im Reformationsgottesdienst in der Mercatorhalle soll aus den Handschriften vorgelesen werden. Einen Stift nahmen Synodale und Gäste in die Hand, um eine Petition für die Rückführung von Bivsi zu unterschreiben. Die 14-jährige wurde Ende Mai von der Ausländerbehörde aus dem Unterricht an einem Duisburger Gymnasium gezogen und umgehend nach Nepal abgeschoben.
Das erste Votum der Synodalen war bei der Stellungnahme „Unser Verhältnis zu den Muslimen in Duisburg“ erforderlich. Diese wurde von verschiedenen innerkirchlichen Gremien vorbereitet und beschreibt Erfahrungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen zum christlich-muslimischen Dialogprozess in Duisburg. In der Stellungnahme wird die „gelebte Vielfalt“ in Duisburg ausdrücklich begrüßt. Gleichzeitig werden aber auch Irritationen, Probleme und Konflikte benannt. So reagieren junge Muslime beispielsweise auf Ausgrenzungserfahrungen, in dem sie versuchen, sich „von diesem ihnen ständig streitig gemachtem Deutschsein abzugrenzen, indem sie sich selbstbewusst als Muslime bezeichnen. Sie schaffen sich damit selbst ihre Identität und Zugehörigkeit.“ Andererseits machen auch christliche Gemeinden Ausgrenzungserfahrungen, indem sie erleben, „… dass die eigene Lebensweise und der christliche Glaube nicht anerkannt und respektiert, oder sogar abgewertet und angegriffen werden. Hier sehen wir ein großes gesellschaftliches Konfliktpotential.“ Soziale Integrationsprobleme könnten jedoch durch theologische Dialoge nicht gelöst und auch nur zum Teil bearbeitet werden, heißt es weiter in der Stellungnahme. „Als Religionsgemeinschaften sind wir, Muslime und Christen, aber gefordert, unsere religiösen Gemeinsamkeiten und Unterschiede klar zu vermitteln. Wir müssen uns gemeinsam den sozialen und politischen Herausforderungen stellen und vor allem gemeinsam daran arbeiten, dass sie nicht als religiöse Probleme missverstanden werden.“ Ganz deutlich heißt es auch in der Stellungnahme: „Wir stellen uns öffentlich gegen diejenigen Strömungen, die sich antisemitisch positionieren, die ihren Glauben mit nationalistischen Bestrebungen verquicken oder die sich für Gewaltausübung zur Unterdrückung Andersdenkender aussprechen. Mit ihnen wird es definitiv keine Zusammenarbeit geben.“ Am Schluss des Dokumentes schließlich wird nochmals auf die gemeinsame Verantwortung der Religionen verwiesen: „Auch wenn wir ein anderes Bild von Gott haben (…), hindern uns diese und andere grundlegenden theologischen Differenzen nicht, mit Muslimen zusammen zu leben, zu arbeiten und zu feiern. In der Begegnung suchen wir nach Wegen, die theologischen Differenzen zu vermitteln und die lebenspraktischen Gemeinsamkeiten zu stärken. Mit den Muslimen in Duisburg wissen wir uns gemeinsam in der Verantwortung vor dem einen Gott.“ Die Synodalen machten sich die Stellungnahme zu eigen und leitet sie als ihren Beitrag im landeskirchlichen Prozess der theologischen Verhältnisbestimmung zum Islam an die Landessynode weiter. Das Dokument steht im Internet unter www.kirche-duisburg.de oder hier auf der Seite als Download zur Verfügung.
Beschlossen wurde auf der Tagung ebenfalls, dass eine neue Konzeption zur Notfallseelsorge erstellt werden muss, die auch den Einsatz von Ehrenamtlichen und entsprechenden hauptamtlichen Stellenanteilen vorsehen soll. Hintergrund war eine Problemanzeige, die den Delegierten der Synode vor Augen führt, dass der wichtige Dienst, der im Wesentlichen allein vom Evangelischen Kirchenkreis Duisburg getragen wird, unter den aktuellen Bedingungen kaum zuverlässig zu besetzen ist. Aufgrund geringer werdender Pfarrstellen, steigender Belastungen von Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern sowie kreiskirchlicher Pfarrerinnen und Pfarrer sei die Gewährleistung der bisherigen Arbeit der Notfallseelsorge im Kirchenkreis nicht mehr möglich. Es entstünden große Lücken im Dienstplan, die selbst durch doppelte und mehrfache Dienste Einzelner nicht mehr zu schließen seien. Diese Situation werde sich durch zunehmende Ruhestände von Pfarrerinnen und Pfarrern noch verschärfen.
Um die Pfarrstellensituation ging es auch beim Thema Zusammenarbeit der Gemeinden in den Regionalen Kooperationsräumen. Zu solchen haben sich 2014 fünf Gemeinden des Duisburger Südens, vier in der Mitte der Stadt und sechs im Norden zusammengeschlossen. Das Ziel der Kooperationsräume ist es, zu einer gemeinsamen Personal- und Gebäudeplanung kommen, um auch in Zukunft mit ihren Angeboten in den Stadtteilen vertreten zu sein. Die Synode beschloss nun, dass die Regionen über ihre Planungen alle zwei Jahre Bericht erstatten. Dazu gehören auch Stellenbeschreibungen für die in 2030 verbleibenden Pfarrstellen, die noch erstellt werden müssen. Diese sollen deutlich machen, wie die Arbeit auch mit deutlich mehr Gemeindegliedern pro Pfarrstelle geleistet werden kann und soll. Der Rahmenplan Pfarrstellen ergibt nämlich – so wurde den Synodalen auf dieser Tagung berichtet -, dass im Jahr 2030 für die Besetzung einer Pfarrstelle eine Gemeinde 3.777 Mitglieder aufweisen muss. Bei dem zu erwartenden Rückgang der Gemeindegliederzahlen wird es im Bereich des Kirchenkreises Duisburg 2030 nur noch die Hälfte der jetzigen Pfarrstellen geben: Die Zahl der Gemeindepfarrstellen beträgt dann für die Region Nord 5,4, für die Region Mitte 3,8 und für den Süden 5,0.
Die Synode beschloss auf dieser Tagung zudem, dass die Regionen ihre Arbeit an einer Gebäudekonzeption weiter konkretisieren sollen. Aus den Konzeptionen soll hervorgehen, welche Gottesdienststätten und Gemeinderäume die Kooperationsräume im Jahr 2030 – auch unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten – noch vorhalten wollen und können. Zudem sollen die Regionen Konzepte erarbeiten, welche Arbeitsfelder und –schwerpunkte sie im Jahr 2030 setzen möchten. Dabei gilt es einen entsprechenden Personalmix aus Pfarrstellen, Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen zu berücksichtigen. Auch über den Stand dieser Konzeptionsentwicklung sollen die Regionen in einem Rhythmus von zwei Jahren der Kreissynode berichten – das nächste Mal auf der Tagung der Synode im Sommer 2019. Auf dieser Tagung berichtete die Region Nord, dass die Zeit bis Ende 2021 genutzt werden muss, um festzulegen, welche Zentren des Gottesdienstes und der gemeindlichen Arbeit in der Region erhalten werden sollen. Eine Zukunftswerkstatt der Nordgemeinden mit einer Beraterfirma Ende diesen Jahres soll zu konkreteren Überlegungen führen, „wie Kirche in der Region Nord 2022/2030 als lebendiger Teil der vielfältigen Duisburger Stadtgesellschaft aussehen kann als eine aktive Kirche, für die es sich für haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitarbeitende und vor allem für die Gemeindemitglieder lohnt, sich zu engagieren.“ Die Region Mitte gab auf der Tagung in ihrem Bericht bekannt, dass die vier Gemeinden bis zu den Presbyteriumswahlen 2024 eine Gesamtgemeinde bilden wollen, die bis 2030 in dem Kooperationsraum noch bis zu drei sonntägliche Predigtstätten und die notwendige Anzahl von Gemeinderäumen vorhalten werden. Die Süd-Region berichtet, dass den gut fünf Pfarrstellen, über die sie im Jahr 2030 verfügen wird, fünf Kirchen gegenüber stehen werden. Allerdings sollen nach dem bisherigen Stand der Planung auch weiterhin Gemeindehäuser als Predigtstätten genutzt werden. U.a. werde auch die Notwendigkeit gesehen, mit der katholischen Kirche über eine gemeinsame Präsenz in der Fläche ins Gespräch zu kommen.
Zum Schluss der Tagung gaben die Delegierten aus Kirchenkreis und Gemeinden ihre Stimmen für die Besetzung von 12 Fachausschüssen ab. Die nächste Tagung der Synode findet am 10. und 11. November 2017 statt. Die Predigt des Synodalgottesdienstes, der Vortrag von Okko Herlyn und die Stellungnahme der Synode „Unser Verhältnis zu den Muslimen in Duisburg“ stehen im Internet unter www.kirche-duisburg.de oder hier auf der Seite als PDF zum Download bereit.
Die Kreissynode leitet den Kirchenkreis. Sie ist vergleichbar mit dem Parlament auf politischer Ebene. Die Kreissynode setzt sich zusammen aus Pfarrerinnen und Pfarrern und gewählten Presbyterinnen und Presbytern, die von den einzelnen Kirchengemeinden als Delegierte entsandt werden sowie berufenen Mitgliedern. Die Zahl der Theologen darf dabei die der Nicht-Theologen nicht überschreiten. Die Kreissynode trifft sich in der Regel zweimal im Jahr und tagt ein oder zwei Tage. Die Tagungen sind öffentlich.
Predigt Synode Ev KK DU_Juni2017 – Pfarrer Lauer [16,51 KB]
Stellungnahme Synode EvKK_DU_Juni2017_Unser Verhältnis zu den Muslimen
Text: Kirchenkreis Duisburg