Andacht zum Ostermontag 2021: Da liegt was in der Luft

Andacht zum Ostermontag 2021: Da liegt was in der Luft

Automatisch setzt sich ein Fuß vor den anderen. Einatmen, ausatmen. Eine mechanische Frauenstimme flüstert ihm ins Ohr: „Kilometer 7, Zeit pro Kilometer: 6 Minuten und 38 Sekunden.“ Roland beschleunigt seinen Schritt. Er ist wieder leicht unter seinen anvisierten Schnitt gefallen. Der Schweiß perlt ihm von der Stirn. Seine Nase läuft. Das kommt von den vielen Pollen, die an diesem Ostermorgen bereits in der Luft sind. Da liegt was in der Luft. Obwohl er schon bei Sonnenaufgang seine Laufrunde gestartet hat, liegt der Geruch von Frühling bereits in der Luft. Aber der Geruch, sei er noch so schön, bringt auch Probleme. Vor Roland taucht ein langsamerer Jogger auf. Roland erhöht noch einmal das Tempo, ist angespornt und will überholen. Der Schweiß rennt nun in großen Tropfen. Für solche Fälle besitzt er ein Schweißband um sein Handgelenk. Roland wischt sich damit zuerst die Stirn und dann die Nase ab. Dabei gelangt etwas Schweiß in seine Nase, es riecht nun salzig. Doch es lohnt sich, langsam aber kommt er dem fremden Kontrahenten näher und schiebt sich an diesem vorbei. Die Sonne scheint malerisch auf die Rheinwiesen und mechanisch setzt Roland einen Fuß vor den anderen.

Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und machten sich auf den Weg zur Gruft. Die beiden liefen aber nebeneinander. Und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus und kam zuerst an der Gruft an. Und wie er sich hineinbeugt, da sieht er die leinenen Binden daliegen. Nun kommt auch Simon Petrus, der ihm folgte, und ging in die Gruft hinein. Und er sieht die Binden daliegen und das Schweißtuch, das auf seinem Haupte gewesen war, nicht bei den Binden liegen, sondern an einem Ort für sich zusammengelegt. (Johannes 20, 3-8)

Lara ist aufgeregt. Es ist endlich Ostern. Noch im Schlafanzug stürmt sie aus ihrem Zimmer die Treppe runter Richtung Küche. Im Slalom an den kleinen Ostereiern vorbei, die den Weg zu den besonders ertragreichen Osternestern weisen. Dafür ist jetzt noch keine Zeit. Im Flur bleibt sie kurz stehen und nimmt einen tiefen Atemzug. Ja, da waberte eine schwere Süße in der Luft. Ein Geruch, den sie nur von einer Person und auch nur an ihr mochte. Lara reißt die Küchentür auf und anders als von ihr erwartet, ist die Küche leer. Keine Eltern und keine Oma. Ihre Oma, die nur selten den langen Weg von Regensburg nach Duisburg auf sich nimmt. Ostern ist immer so ein Tag. Der Raum ist angefüllt von verschiedenen Gerüchen, da ist der schwere Geruch von Omas Parfüm, da ist aber auch die Süße des Osterhasen aus Teig, der langsam im Ofen brauner und brauner wird. Da ist die Süße der Früchte, die auf dem Obstteller bereits in mundgerechte Stücke aufgeschnitten sind, da ist aber auch das Herbe und Bittere des Kaffees. Ein Geruch den Lara nicht ausstehen kann. Es durchzuckt sie. Da liegt was in der Luft.

Am ersten Tag der Woche aber kamen die Frauen am frühen Morgen zur Gruft und brachten Balsam und Salben mit sich, die sie bereitet hatten und die über den Sabbat nach dem Gesetz geruht hatten. Da fanden sie den Stein von der Gruft weggewälzt. Als sie aber hineingingen, da fanden sie den Leib des Herrn Jesus nicht. (nach Lukas 13, 56 – 14, 3)

Die Ostererzählung ist voll von Gerüchen Wie hat es wohl in dieser Höhle gerochen, in welcher Jesu Leichnam für drei Tage lag und nun nur noch Binden und ein Schweißtuch zu finden sind? Was haben wohl die Frauen gerochen, als sie ihre Salbe und ihren Balsam in die Höhle mit hineinnahmen? Roch es dort nach Verwesung und nach ätherischen Ölen? Oder lag da noch etwas anderes in der Luft?

Wie hat für Petrus wohl Ostern gerochen, als er erst von einem anderen Jünger abgehängt wurde und dann nichts mehr vorfand? Konnte er außer Schweiß und Balsam noch mehr riechen? Was lag da an Ostern in der Luft?

Für mich ist Ostern wie ein gutes Parfüm. Es ist nicht einfach nur süß und übertüncht alles Traurige und Schlechte. Da wird der Mensch nicht einfach, wie durch einen Zauberspruch, ganz und neu. Ohne Probleme und Sorgen. Das Parfüm Ostern ist aber auch nicht herb und erden und versprüht nur Schwere und Traurigkeit. Es ist auch nicht modrig oder altbacken, sondern das Parfüm Ostern ist modern und es ist sehr teuer.

Dieses Osterparfüm, was in der Luft liegt, das will jedem einzelnen Menschen eine Botschaft mit fürs Leben geben: Du bist wertvoll. Und zwar so wertvoll, dass Gott selbst dieses Parfüm bezahlt und stellt es uns zur Verfügung. Kein billiges Parfüm, was die Lebensgeschichte einfach überdeckt und billigen Trost und Freude spendet und nach wenigen Minuten bereits verflogen ist.

Da liegt etwas in der Luft an Ostern und es ergänzt unser Leben, es ist der Kontrast zu unseren Fehlern und Problemen. Es ist ein Duft, der mich anlockt und mich in den Bann zieht. Da ist auf einmal eine neue Duftnote, die ich bisher nicht kenne. Eine ganz zarte, aber doch kräftige. Diesem Duft folge ich und stehe mit den Frauen und den Jüngern vor dem leeren Grab. Langsam trete ich ein, mache meine Augen zu und atme tief ein. Da ist etwas modriges, etwas was mich an die Apotheke erinnert, da ist auch ein Geruch nach leichtem Schweiß. Aber da liegt noch etwas in der Luft. Eine Duftnote von Gottes Freude, dass Jesus, sein Sohn, wieder lebendig ist. Eine Duftnote der Hoffnung, dass das Leben über den Tod siegt. Eine feine Duftnote, die uns tragen kann, die Mut machen kann für die Zukunft.

Und wonach riecht Ostern für dich? Amen

Vikar Jonathan Kohl