Sommerkirche am 18. Juli 2021

Sommerkirche am 18. Juli 2021

DIE HOFFNUNG WACHSEN LASSEN

Weit mehr als ein Jahr ist unser Leben nun schon geprägt durch die Corona-Pandemie. Uns liebe Menschen sind gestorben. Manche kämpfen mit den Spätfolgen der Krankheit. Wir alle müssen mit den Einschränkungen klarkommen, die uns der Schutz vor einer Erkrankung abverlangt.

Und jetzt, wo langsam die Hoffnung wächst auf ein Ende der Pandemie, erreichen uns die schrecklichen Bilder und Berichte aus den Gebieten, die von dem furchtbaren Unwetter betroffen sind. Menschen sind ohne Obdach, haben innerhalb weniger Stunden ihr ganzes Hab und Gut verloren, ganze Dörfer und Stadtteile sind vernichtet, die Zahl der Todesopfer wächst von Tag zu Tag, das ganze verheerende Ausmaß der Katastrophe ist noch nicht zu ermessen.

Die Pandemie, die Unwetterkatastrophe – wir erleben in einem nie dagewesenen Ausmaß ganz hautnah wie sehr unser Leben gefährdet ist und wie ohnmächtig und hilflos wir tatsächlich sind. Und wir erkennen immer deutlicher unseren eigenen Anteil an dem, was wie ein Schicksal über uns hereinzubrechen scheint.

Was können wir tun? Können wir überhaupt etwas tun?

Wir fragen danach, was uns Hoffnung gibt und Kraft zum Handeln.

Wer könnte atmen – ohne Hoffnung?

Rose Ausländer gilt als eine der bedeutendsten modernen Lyrikerinnen deutscher Sprache und gehörte zu den Wenigen der 55.000 Juden in der osteuropäischen Stadt Czernowitz, die die Vernichtung durch die Nationalsozialisten überlebt haben. 1988 ist sie 87-jährig in einem Düsseldorfer Altenheim gestorben.

Nur die Hoffnung lässt Rose Ausländer leben und überleben, gibt ihr die Kraft, am Leben nicht zu verzweifeln. Hoffnung gehört zu den Lebensgrundlagen des Menschseins wie die Atemluft. „Wer könnte atmen / ohne Hoffnung“, sagt die Dichterin.

Wer hofft

ist jung

Wer könnte atmen

ohne Hoffnung

dass auch in Zukunft

Rosen sich öffnen

ein Liebeswort die Angst überlebt

Besuch im Garten

Wegen seiner berühmten Gärten kam ich in ein Dorf. Ich wollte sie sehen.

Am Eingang des Dorfes traf ich den Verwalter. Er rief einen seiner Mitarbeitenden, um mir einen der Gärten zu zeigen. „Die Gartenpforte muss erneuert werden“, sagte er beim Eintreten, „und die Wege sind auch sehr ausgetreten.“ Vor einem Rosenstrauch blieb er stehen: „Seht ihr die Blattläuse? Der Strauch wird kaum überleben. Und das Gewächs an der Mauer wird wohl auch eingehen, denn die Wurzeln sind befallen und können das Wasser nicht mehr aufnehmen.“ Er zeigte mir noch manches, was nicht in Ordnung war.

Mir war, als wäre der Garten krank. Ich war enttäuscht.

Nach dem Rundgang teilte ich dem Verwalter meine Enttäuschung mit. Es schien ein kranker Garten zu sein. Warum wurde ich in diesen Garten geführt?

Der Verwalter rief eine andere Person. Sie nahm mich mit. „Schau mal diese Kletterrose, wie viele Blüten sie treibt. Und dort der Obstbaum. Er trägt die süßesten Früchte. Und dieses Beet hier, wir haben es neu angelegt. Es werden duftende Blumen wachsen. Und dort ist unser schöner tiefer Brunnen. Es hat uns noch nie an Wasser gefehlt.“

Ich war begeistert und erzählte dem Verwalter davon.

Er lächelte und fragte: „Hast du nicht bemerkt, dass ihr in demselben Garten gewesen seid?“

(Verfasser unbekannt)

Seid fröhlich in Hoffnung (Römer 12,12)

Liebe Gemeinde, das Wort „Hoffnung“ hat eine interessante Wurzel. Der Wortstamm wird vom mittelniederdeutschen Wort „hopen“ hergeleitet, das wiederum eng mit dem Wort „hüpfen“ in Verbindung steht. „Vor Erwartung unruhig springen“, sagt dazu das Wörterbuch. Und schon sehe ich ein Kind vor mir, dass vor lauter Erwartung nicht stillsitzen kann, sondern auf und ab hüpft. Wie wäre das, wenn auch ein erwachsener Mensch, der Hoffnung hat, vor Freude einen Luftsprung macht? Der Freudensprung im Zusammenhang mit der Hoffnung ist zumindest nahe bei dem Wort des Paulus. Er platziert die Hoffnung gleich neben der Fröhlichkeit: „Seid fröhlich in Hoffnung“, schreibt er an die Gemeinde in Rom damals – und heute an uns. Hoffnung und Fröhlichkeit in einem Atemzug: Wie unbeschwert das klingt!

Ich denke, die meisten von uns hätten das Wort „Hoffnung“ nicht unbedingt mit „fröhlich“ in Verbindung gebracht, sind wir doch eher Skeptiker, unsicher in der Hoffnung, zweifelnd, fragend. Fühlen uns oftmals dunklen Mächten ausgeliefert und sind froh, wenn wir einmal wieder davongekommen sind.

Eins lässt sich allerdings sagen: Wer hofft, hat eine positive Grundstimmung. Und wer keine Hoffnung hat, ist niedergeschlagen und deprimiert.

Wer Hoffnung hat, der erwartet Gutes von dem, was kommt. Selbst wenn sich ein Hindernis zeigt oder ein Stein im Weg liegt. Wer hofft, wird sagen: Da wird sich schon ein Weg finden. Steinen kann man aus dem Weg gehen, und Hindernisse sind dazu da, dass man sie überwindet. Wer Hoffnung hat, der sieht die Sonne auch dann noch, wenn der Himmel wolkenverhangen ist.

Denken Sie noch einmal an die Geschichte vom Garten. Es kommt auf die Perspektive an! Auf den Blick, mit dem ich die Dinge anschaue. Natürlich kann ich alles Negative sehen, und das raubt mir die Hoffnung und die Fröhlichkeit. Aber ich kann auch das Positive entdecken, auch wenn es vielleicht noch kaum zu sehen ist. Wer hofft, gibt nicht einfach auf. Diesen „Perspektivwechsel“ kann man einüben, indem man ab und zu innehält und sich bewusst macht, was man alles an Gutem erfahren hat. Das alles ist uns so selbstverständlich geworden, dass wir es kaum noch wahrnehmen und oft sogar mit Füßen treten.

Doch auch wer hofft, wird manchmal von Zweifeln geplagt. Es gibt die Phasen, da fühlen wir uns getragen und sind zuversichtlich. Und dann greifen wieder Fragen nach uns, wir werden unsicher. Es beschwert uns etwas, und wir wissen nicht recht, wie wir es wieder loswerden. Ja, es kann einem richtig schwerfallen zu hoffen!

Und wer will gegenüber den Menschen in Hagen, in Erkelenz, in Schuld, in Ahrweiler von Hoffnung reden! Woher sollen sie Hoffnung nehmen: die, die alles verloren haben und nicht wissen, wie es weitergehen soll?

Wer das Wort des Paulus „Seid fröhlich in Hoffnung“ kennt, der hat es als Dreiklang im Kopf: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“

Dadurch wird etwas deutlich: Es geht Paulus nicht um eine Fröhlichkeit, die einfach ausblendet, was schwierig ist. Es geht ihm vielmehr um die Frage, wie es geschehen kann, dass man seine positive Grundeinstellung nicht verliert, dass die Fröhlichkeit bei der Hoffnung bleibt.

„Seid geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet“ sind zwei Ratschläge des Paulus, wie man selber etwas tun kann.

„Seid geduldig in Trübsal“: Wenn es Konflikte gibt, die sich jetzt nicht lösen lassen, dann ist es eben manchmal eine Zeitlang schwierig. Auch das gehört zum Leben. Bei einer Krankheit, die sich nicht schnell heilen lässt, kann man natürlich alle Energie darauf verwenden, deprimiert zu sein, sich mit der Tatsache, dass man krank ist, anzulegen, aber gesund wird man davon nicht. Man gebraucht die Energie vielleicht besser dazu, sich über jemanden zu freuen, der sich die Mühe eines Besuchs gemacht hat. Oder gezielt etwas dafür zu tun, dass die Heilung voranschreiten kann.

Beeindruckt hat mich der Zuspruch des Bürgermeisters von Grimma an die Menschen, die am stärksten von der Unwetterkatastrophe betroffen sind. Zweimal war die kleine Stadt Grimma im Abstand von zwei Jahren selbst betroffen. Zweimal waren sie am Ende, haben keinen Silberstreif mehr am Horizont gesehen. Aber sie haben es geschafft. Mit viel Hilfe von außen, aber auch mit eigener Kraft und dem eisernen Willen, dass es irgendwie weitergehen muss. Und jetzt steht der Bürgermeister da in seiner schmucken kleinen Stadt und sagt: Schaut her, Wunden können heilen. Es braucht viel Zeit, aber es geht. Auch wenn ihr das jetzt gerade nicht sehen könnt: Es wird einen neuen Anfang geben.

Geduld üben – das kann manchmal richtig schwer sein. Dazu gibt Paulus seinen zweiten Ratschlag: „Haltet an am Gebet.“ Selbst wenn mir die Worte fehlen, weil mein Schmerz so unerträglich groß ist, selbst wenn ich nur Stammeln oder Seufzen kann: Gott hört und sieht mich.

Dieser Aufruf: „Haltet an am Gebet!“ gilt nicht nur denen, die von der großen Not betroffen sind. Er gilt auch uns: Betet für die, die selbst jetzt keine Worte finden! Bittet um Kraft für die, die von einer tiefen Hoffnungslosigkeit ergriffen sind!

Paulus selbst hat in den Irrungen und Wirrungen seines Lebens, in seiner tiefsten Verzweiflung ein helles Licht gesehen, das ihm neue Zuversicht gegeben hat. Ihn, der sich selbst bereits aufgegeben hatte, hat Gott bei seinem Namen gerufen und ihm die Angst genommen: Du bist gerettet. Du sollst leben. Am Ende sogar ewig leben. Paulus weiß, wovon er spricht.

Er selbst hat diese Macht erlebt, die stärker ist als alles, was man sich vorstellen kann. Eine Macht, die in sein Leben eingegriffen hat und alles verändern konnte, was so festgefahren und aussichtslos erschien.

Deshalb gibt er weiter, was sein Leben gerettet hat und was ihm genau deshalb so wichtig geworden ist: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet.“

Fürbitten

Wir schließen uns in unserem Gebet den Worten an, die die Evangelische Kirche im Rheinland als Fürbitte zur Unwetterkatastrophe formuliert hat:

Gott des Lebens,

wir sind erschrocken und aufgewühlt:

Das Hochwasser der vergangenen Tage

hat Menschen fortgeschwemmt.

Der Starkregen hat Keller geflutet und Straßen überspült.

Viele bangen um ihre Angehörigen und um ihr Zuhause.

Gott, wir rufen zu dir

wie der Beter aus dem Gebetbuch des Volkes Israel:

„Rette mich, Gott!

Das Wasser steht mir bis zum Hals.

Ich bin versunken in tiefem Schlamm

und finde keinen festen Grund.

In tiefes Wasser bin ich geraten.

Eine Flutwelle spülte mich fort.“

(Psalm 69,2+3)

 

Gott,

wir bitten sich um Trost und Beistand

für alle, deren Zuhause verwüstet ist,

die evakuiert werden mussten,

die Hab und Gut verloren haben.

Sende den Betroffenen die Hilfe, die sie brauchen:

tatkräftige Unterstützung,

finanziellen Beistand,

emotionale Begleitung,

unermüdliche Gebete.

Gott, wir bitten dich um Frieden für die,

die ihr Leben verloren haben,

und um Trost für ihre Angehörigen.

Gott, wir bitten dich für die Männer und Frauen,

die an ihre Grenzen gehen, um anderen zu helfen,

die Menschen aus eingeschlossenen Häusern holen,

die Dämme sichern, für Notunterkünfte sorgen.

Sei du ihnen nahe bei allem, was sie tun.

Stärke sie und gib ihnen Geduld und Übersicht.

 

Gott, wir erkennen,

wie schnell sich das Klima verändert

und in welcher Bedrohung unsere Welt steht.

Diese Naturkatastrophe führt uns vor Augen,

was wir unserer Umwelt antun.

Hilf uns umzukehren.

Lass uns nicht gegen, sondern für und mit

deiner Schöpfung leben.

 

„Ich aber schicke mein Gebet zu dir,

zu der Zeit, Herr, die dir gefällt:

Antworte mir, Gott, in deiner großen Güte,

zeig mir deine Treue und rette mich!

Zieh mich aus dem Schlamm,

sonst muss ich darin versinken!

Rette mich aus dem Strudel

und aus dem tiefen Wasser!“

(Psalm 69,14+15)

Durch Ihre Fürbitte und Ihre Spende können Sie den Menschen in den Katastrophengebieten helfen. Die Evangelische Kirche hat gemeinsam mit der Diakonie dazu ein Spendenkonto eingerichtet:

Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.

Diakonie RWL

IBAN DE79 3506 0190 1014 1550 20

Stichwort: „Hochwasser-Hilfe“

als Online-Spende:

https://www.kd-onlinespende.de/projekt/spendenaufruf-unwetter-katastrophe/display/link.html

Birgit Brügge

Sommerkirche am 18.07.2021