Sommerkirche am 11. Juli 2021

Sommerkirche am 11. Juli 2021

VOLLMACHT FÜR DIE ERDE

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder, zweifelten aber auch. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.                                                                                                  Matthäus 28, 16-20

Ein Gipfeltreffen

Zu einem Gipfeltreffen lädt uns der biblische Text, den wir vorhin hörten. Denn er spielt auf einem Berg. Jesus ist nicht im Tod geblieben, sondern von Gott ins Leben gerufen. Jetzt begegnet er elf Menschen, die er berufen hatte und  die ihm nachgefolgt sind. Eigentlich waren es zwölf. Zwölf Juden, die für die Stämme Israels stehen und damit Israel repräsentieren. Aber Judas, der Jesus verraten hat, lebt nicht mehr. Diesen elf Menschen begegnet der Auferstandene und gibt ihnen Weisung. Er sagt ihnen, was zu tun ist. Das ist dann auch der Abschluss des Matthäusevangeliums.

Eine lebenswichtige Entscheidung

Warum sind wir bei diesem Gipfeltreffen auch dabei? Weil dort auch eine Entscheidung über unser Leben getroffen wird. Den Auftrag, zu taufen, gibt Jesus bei diesem Gipfeltreffen:

Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wenn wir taufen, wird immer auch dieser Auftrag vorgelesen. Daher passt der biblische Text gut zu diesem Sonntag. An ihm erinnern wir uns an unsere eigene Taufe. Dies kann heißen, dass wir uns an das Ereignis unserer eigenen Taufe erinnern. Einige sind vielleicht als Jugendliche oder Erwachsene getauft worden und haben ihre Taufe bewusst erlebt. Aber die meisten hier sind als ganz kleine Kinder getauft worden, so dass sie sich an die eigene Taufe gar nicht mehr erinnern können.

Dass wir uns an unsere Taufe erinnern, kann aber noch etwas anderes bedeuten: Wir machen uns bewusst, dass wir getauft sind, und erkennen, was dies für unser Leben bedeutet. Denn ob wir uns an die Taufe erinnern können oder davon nichts mehr im Gedächtnis haben, ist doch eines klar: Sie hat eine große Voraussetzung. Unsere Taufe setzt nicht nur voraus, dass wir selbst leben. Sie setzt vor allem voraus, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, sondern durch die Kraft Gottes lebt. Sie setzt also nicht nur unsere Geburt, sondern vor allem seine Auferstehung voraus. Ihr geht nicht nur unser Geburtstag, sondern vor allem sein Ostertag voraus. Sie setzt also nicht nur unser, sondern vor allem sein Leben voraus.

Sein Leben ist aber nicht mehr vergänglich, sondern von der Macht des Todes befreit. Es nimmt am Leben Gottes teil und ist von daher ewiges Leben. Darum kann er auch seine Gegenwart zusagen:

„Ich bin bei euch alle Tage.“

Darum ist die Taufe ein Zeichen dafür, dass unser Leben mit seinem Leben verbunden ist. Nicht nur am Tag der Taufe ist er gegenwärtig, sondern für unser ganzes Leben. So gesehen ist unser Leben bereits mit seinem ewigen Leben und damit auch mit dem lebendigen Gott verbunden.

Eine Frage der Macht

Nun habe ich gesagt, dass das Matthäusevangelium hier von einem Gipfeltreffen berichtet. Das kann man nicht über den Ort der Begegnung sagen. Der Auferstandene trifft eine Gruppe von elf Menschen auf einem Berg. Von einem Gipfeltreffen spricht man aber auch in einem übertragenen Sinne. Man meint damit die Zusammenkunft von führenden Leuten, von Staatschefs, von Menschen, die Macht haben. Weil diese Menschen Macht haben, kommt es bei ihren Beratungen auch zu Beschlüssen, die das Leben vieler anderer Menschen betreffen.

Dies gilt auch für dieses besondere Gipfeltreffen. Nur finden hier keine Verhandlungen statt, sondern Jesus gibt klare Anweisungen. Er kann das, weil er die Macht dazu hat. Somit geht es bei unserer Taufe nicht nur um das Leben, sondern immer auch um die Macht über das Leben. Es geht um die Machtfrage. Bevor Jesus den Auftrag gibt, zu taufen, stellt er klar:

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

Was ist das für eine Gewalt, die ihm gegeben ist? Was ist das für eine Macht, die er bekommen hat? Man hat sich das oft als Weltherrschaft vorgestellt und Jesus dann auch in Kirchen als Weltherrscher dargestellt. Aber ein Machthaber, ein Imperator, ein Kaiser oder Diktator, einer, der wie die Mächtigen in der Welt herrscht, ist Jesus gerade nicht.

Das Matthäusevangelium berichtet noch von anderen Gipfeltreffen. Unser Text erzählt nur das letzte Gipfeltreffen. Aber ihm sind noch andere Begegnungen auf einem Berg vorangegangen. Dabei kommt heraus, welche Macht Jesus gegeben ist.

Keine Macht der Welt

Beim ersten Gipfeltreffen, von dem das Matthäusevangelium erzählt, begegnet Jesus dem Teufel, der ihn versuchen will. Dazu führt der Teufel Jesus auf einen hohen Berg und zeigt ihm von dort aus alle Reiche der Welt mit ihrer Herrlichkeit, mit ihrem Glanz und ihrer Pracht. Der Teufel verspricht Jesus, ihm alle diese Weltreiche zu geben. Die Voraussetzung ist aber, dass Jesus vor dem Teufel niederfällt und ihn anbetet. Dies lehnt Jesus ab. Denn der Mensch soll nur den lebendigen Gott, den Gott Israels anbeten und sonst nichts und niemanden in der Welt.

Hat Gott dann Jesus die Reiche der Welt mitsamt ihrem Glanz und ihrer Pracht gegeben? Meint dies der Satz „Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erde“? Ist Jesus dann doch noch zum Oberherrscher über alle Mächtigen und ihre Reiche aufgestiegen, zum Weltherrscher? Mit einer solchen Macht will Jesus aber nichts zu tun haben. Zu dieser Macht äußert er sich kritisch mit den Worten: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun.“

Vollmacht fürs Leben

Welche Macht Jesus gegeben ist, kommt auf einem anderen Berg heraus, den er besteigt. Von diesem Berg aus lehrt er das Volk. Am Ende rufen die Leute, die ihn gehört haben, aus: „Er lehrt mit Vollmacht.“ Die Macht, die Gott Jesus gibt, ist also eine Vollmacht. Es ist die Vollmacht, den Weg des Lebens zu lehren, die Vollmacht, in ein Leben nach dem Willen Gottes einzuweisen. Es ist dann am Ende auch die Vollmacht, Menschen aus Israel zu den anderen Völkern zu senden, um zu taufen und seine Weisungen zu lehren. Es ist die Vollmacht, Menschen aus den anderen Völkern, also auch uns hier, mit dem Gott Israels zu verbinden.

Jesus übt seine Macht durch sein Wort aus. Sein Wort setzt Menschen in Bewegung. Sein Wort bringt Menschen zum lebendigen Gott. Sein Wort schafft Glauben und Hoffnung.

Jesus hat also nicht Macht über Himmel und Erde, sondern ihm ist Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben: die Vollmacht, Gottes Willen mitzuteilen und aus den Reichen der Welt mit ihrem trügerischen Glanz und ihrer falschen Pracht zu befreien. Seine Vollmacht ist also eher eine Gegenmacht gegen die Welt, wie Menschen sie gemacht haben. Sie ist die Gegenmacht seines Wortes gegen alle Mächte, die bedrohen und versklaven, die unterdrücken und zerstören. Damit kommt auch heraus, was mit uns in der Taufe geschieht, was aber oft übersehen wird: Sie ist ein Herrschaftswechsel. Wir wechseln von den Reichen der Welt, von den Mächten der Welt zu dem Gott, bei dem die Quelle des Lebens ist.

Herrschaftswechsel

Damit fängt unser christliches Leben an. Es beginnt mit einem Herrschaftswechsel. Man kann sagen: Es fängt mit einer Revolution an. Von dem Menschen, der der Bevollmächtigte Gottes im Himmel und auf Erden ist, geht sie aus. Von der Macht der Welt und des Todes werden wir befreit und dem lebendigen Gott unterstellt. Nicht länger soll uns beherrschen und gefangen nehmen, was Menschen herstellen und wertschätzen. Nicht mehr sollen wir auf Seiten einer Macht stehen, die unterjocht und das Leben zerstört. Nicht mehr sollen wir Gottes Schöpfung verachten und vergiften, missbrauchen und zerstören. Nicht mehr mitmachen bei Ungerechtigkeit und Unrecht, bei Krieg und Gewalt. Frei von Herrschsucht und Gier, aber auch frei von Angst und Sorge um uns selbst sollen wir werden. Den Rücken wenden wir der alten, menschengemachten Welt zu und sehen nach vorne der Zukunft Gottes, unseres Schöpfers, entgegen.

Eine neue Lebensweise

Es sind die Gewaltlosen und nicht die Gewalttäter, die die Erde erben werden, lehrt Jesus. Es sind die Friedensstifter und nicht die Kriegshelden, die Gottes Kinder heißen werden. Gesättigt werden die Hungernden nach Gerechtigkeit und nicht die, die sich durch Ungerechtigkeit und Unrecht bereichern. Gottes Willen tun die Menschen, die ihre Feinde lieben, und nicht die, die ihre Feinde hassen.

Eine neue Lebensweise sollen die Menschen aus den Völkern der Erde kennenlernen und beachten. Um zu dieser neuen Lebensweise zu verhelfen, dazu ist Jesus alle Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben. Die Erde soll werden, wozu Gott sie bestimmt hat: ein lebensfreundlicher Ort, wo kein Platz mehr für die Reiche der Welt ist, kein Platz mehr für die Mächtigen, die die Völker niederhalten, kein Platz mehr für Selbstherrlichkeit und Habgier.

Mit der Taufe beginnt für uns eine neue Lebensweise, die sich ganz am vollmächtigen Wort Jesu orientiert. Genau dafür ist die Taufe ein Zeichen. Daran werden wir bei diesem Gipfeltreffen erinnert. Amen

Hans-Peter Lauer

Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis 2021